Qualitätsvolle Bürgerbeteiligung benötigt klare Spielregeln

Wir begrüßen die Initiative der Stadtverwaltung für Leitlinien und fordern gleichzeitig mehr Gewicht für die repräsentative Mehrheit, weniger für Interessengruppen.

Überfällig ist aus unserer Sicht die Ankündigung der Stadtverwaltung, Leitlinien für Bürgerbeteiligungen in Braunschweig entwickeln und festlegen zu wollen. Das hatte unser Fraktionsvorsitzender Thorsten Köster ausdrücklich während der Ratssitzung am 11. Mai im Zuge der Debatte um die Hagenmarkt-Umgestaltung gefordert und gleichzeitig angekündigt, einen entsprechenden Antrag zur nächsten Ratssitzung (13. Juli) stellen zu wollen. Deswegen begrüßen wir, dass die Verwaltung dem mit ihrer Mitteilung „Grundsatzkonzept zur Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohnern“ außerhalb von Sitzungen zuvorgekommen ist. 
Die Initiative der Stadtverwaltung für Leitlinien zur Bürgerbeteiligung sind gut, aber wir erwarten gleichzeitig mehr Gewicht für die repräsentative Mehrheit, weniger für Interessengruppen.Die Initiative der Stadtverwaltung für Leitlinien zur Bürgerbeteiligung sind gut, aber wir erwarten gleichzeitig mehr Gewicht für die repräsentative Mehrheit, weniger für Interessengruppen.

„Wir brauchen klare Spielregeln für Bürgerbeteiligungen und an die müssen sich halten, die sich einbringen wollen. Die noch immer nicht abgeschlossene Debatte um die Umgestaltung des Hagenmarkts und der langwierige Prozess mit Bürgerbeteiligung machen das exemplarisch deutlich. Sturmtief Xavier ist fast vier Jahre her, aber in der Zeit ist es zu keinem endgültigen Resultat gekommen. Das kann aus unserer Sicht nicht der richtige Weg sein. Mit den Leitlinien müssen bei Prozessen mit Bürgerbeteiligung Qualität verbessert und Tempo erhöht werden. Bürgerinnen und Bürger, die keinen Interessengruppen angehören, verstehen nicht, warum das alles so lange dauert“, verdeutlicht Thorsten Köster seinen in der Ratssitzung geäußerten Ansatz.

Die Erwartungen an Bürgerbeteiligungen seien in Deutschland hoch, aber dennoch bleibe in Bund, Land und Kommunen die repräsentative Demokratie bindend, so Köster. Für Braunschweig bedeute das, dass einzig der Rat und seine Fachausschüsse in aller Regel legitimierte Gremien seien, die final entscheiden könnten. Bürgerbeteiligungen sollten also keinesfalls der Politik Verantwortung abnehmen, sondern vielmehr helfen, ausgewogene Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Dafür bedürfe es, sagt unser Fraktionsvorsitzender, verbindlicher und allgemein respektierter Leitlinien.

Vorbild dafür kann aus seiner Sicht die Stadt Kiel sein, die bereits 2013 auf Vorschlag der damaligen Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) eine entsprechende Initiative auf den Weg gebracht hatte. Die Leitlinien wurden in Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Bürgern erarbeitet und formuliert. Sie enthalten unter anderem eindeutige Abläufe und Zuständigkeiten. Vergleichbare Regeln gibt es bereits in zahlreichen anderen Kommunen.

Für uns ist wichtig, dass die Leitlinien die Wertigkeit von Bürgerbeteiligungen erhöhen. „Wir wollen nicht, dass wie beim Projekt ‚Denk Deine Stadt‘ oder auch beim Hagenmarkt Interessengruppen und ihre lauten Claqueure die Oberhand behalten, sondern sich eine repräsentative Mehrheit einbringt“, kritisiert Thorsten Köster das bisherige Prozedere von Bürgerbeteiligungen in Braunschweig. Es müssen geeignete Instrumente gefunden werden, damit auch die Rentnerin mit eingeschränkter Mobilität und ohne Internet mitmachen kann. Und auch der Handwerksmeister, der bis spät abends arbeitet und danach noch seine Buchführung erledigen muss, darf nicht außen vor bleiben. Er kann eben nicht zu verwaltungsfreundlichen Diskussionsforen um 17.30 Uhr gehen“, so Köster.

„Braunschweig hatte im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) derartige Leitlinien bereits auf der Agenda, aber seither ist viel Zeit verstrichen“, bemängelt Köster. Laut Verwaltung soll der Startschuss für die Entwicklung der Leitlinien nun im Frühjahr 2022 erfolgen. Gerechnet wird dann mit einer bis zu zweijährigen Bearbeitungszeit. „Bis dahin diskutieren wir hoffentlich nicht mehr über das leidige Thema Hagenmarkt. Wenigstens taugt es zu einem Paradebeispiel, wie Bürgerbeteiligung nicht laufen sollte, und hat so doch immerhin einen wichtigen Impuls zur Zukunft von Bürgerbeteiligungen in Braunschweig gegeben“, hofft Köster.