Finanzpolitische Rede von Claas Merfort zum Haushalt 2020

Der finanzpolitische Sprecher unserer Fraktion erläutert, warum wir den Hasuhalt nicht mittragen

In der Ratssitzung am 18. Februar fanden die finalen Haushaltsberatungen statt. Die intensive inhaltliche Debatte wurde durch die finanzpolitischen Sprecher begonnen. Für die CDU-Fraktion hat an dieser Stelle Claas Merfort das Wort ergriffen:
Unser finanzpolitischer Sprecher Claas Merfort begründet, warum wir den Haushalt 2020 ablehnenUnser finanzpolitischer Sprecher Claas Merfort begründet, warum wir den Haushalt 2020 ablehnen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Oberbürgermeister Markurth, Sie sind heute neben den haushaltsbestimmenden Fraktionen mein Hauptadressat. Bevor ich zu meiner Kernkritik komme, möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Markurth, eine ehrliche Anerkennung aussprechen. Auch wenn dies vielleicht Sie selbst und einige meiner Fraktionskollegen irritiert. Sie sind ein hervorragender Redner, der es schafft, Menschen von Notwendigkeiten und Positionen zu überzeugen. Sie schaffen es, Zustimmung für wichtige Themen zu generieren. Zweifelsohne ist dies eine wichtige Eigenschaft als Oberbürgermeister. Diese Eigenschaft wird auch im vor uns liegenden Umsetzungsprozess auf Grundlage des KGSt-Gutachtens erforderlich sein. Und ich bitte Sie herzlich darum, diese Fähigkeit mit voller Kraft auch hier einzusetzen.

Wo stehen wir mit Braunschweig heute?

·         Die letzte Einwohnerstatistik weist ein Plus von rund 1.500 Einwohnern aus. Braunschweig wächst.

·         Braunschweigs Steuereinnahmen sind auf Rekordniveau

·         Die Gewerbesteuer belegt Rang 5 der besten Einnahmenjahre

·         Einkommensteuer und Umsatzsteuer rangieren auf Höchstwerten und treppen jährlich um 1,5 beziehungsweise sogar 5 Millionen Euro auf

·         Der Finanzausgleich steht ebenfalls auf dem höchsten Wert seit seiner Einführung

·         Die Investitionen laufen auf stabilem und gutem Niveau der Vorjahre

In Summe haben wir in 2019 etwa 10 % bzw. rund 70 Millionen Euro höhere Erträge als im Vorjahr.

Und an welchen Rahmenbedingungen liegt es nun, dass wir diese guten Einnahmen verzeichnen?

Die Wirtschaft in Deutschland und Braunschweig ist nach wie vor im Hochkonjunktur-Modus. Die Nachfrage nach Gewerbegebieten übersteigt trotz aller Bemühungen das Angebot. Der Fachkräftebedarf für die Region kann aktuell nur mit Zuzügen aus dem In- und Ausland bedient werden. Folglich ist auch die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Wert in der Stadtgeschichte und lag im Jahr 2019 bei 4,9 %. Die Löhne in der Region steigen stärker als die Mieten. Volkswagen, als einer der zentralen Wirtschaftspfeiler der Region, verzeichnet Jahr für Jahr neue Rekordeinnahmen und baut seine Produktionszahlen trotz Diesel und Tesla stetig aus. VW investiert Millionen in den Transformationsprozess, der dieser Region zugutekommt. Neue innovative Cluster entstehen in Braunschweig durch unseren Mittelstand.

Wir haben also allen Grund zu sagen: Braunschweig befindet sich in einer hervorragenden Position. Das soziale Klima ist gut und die Wirtschaftsdaten besser denn je.

Und nun sind Sie sicherlich bereits gespannt auf die Kritik.

Trotz all dieser Rahmenbedingungen war von Ihnen, sehr geehrter Herr Markurth, zu vernehmen, dass Braunschweig ein Einnahmenproblem habe. Wie passt das aber mit den wirtschaftlichen Daten zusammen? Die Antwortet lautet: Zum Glück gar nicht. Wie eingangs ausgeführt, können wir froh und stolz sein, dass dies in Braunschweig nicht der Fall ist. Und wir sollten an dieser Stelle diesen Stolz mit Optimismus verbinden, statt Ausflüchte zu suchen und den Blick zu senken. Herr Markurth, ich verstehe Ihre Darstellung eines Einnahmenproblems nicht im Geringsten. Ich halte dies für nicht zutreffend. Und stelle Ihre Grundhaltung diesbezüglich in den Fokus meiner Kritik. Denn sie lenkt vom Problem ab und vermag einzig und allein dazu dienen, diesen Haushaltsentwurf zu rechtfertigen.

Natürlich könnten wir immer wieder nach Hamburg oder München blicken, um festzustellen, dass bei den Einnahmen, wie der Gewerbesteuer, es ja immer noch reichere Städte gibt. Das ist aber wenig zielführend. Braunschweig ist eine moderne, dynamische Großstadt, aber keine Millionenmetropole wie München oder Hamburg. Braunschweig ist auf einem völlig soliden durchschnittlichen Einnahmen-Niveau.

Und trotz all dieser positiven Rahmenbedingungen wollen Sie heute einen Haushalt beschließen, der den Eindruck erweckt, in einer Zeit erstellt worden zu sein, die nach hohen Einnahmenrückgängen aussieht und nach hoher Arbeitslosigkeit. Dieser Haushalt passt nicht in die tatsächliche Entwicklung dieser Stadt, trotz aller etwaigen neuen Aufgabenfelder.

Wenn wir uns vergleichen, lassen Sie uns mit Städten vergleichen, die uns ähneln. Und schauen wir uns dort die geplanten Abschlüsse der Haushalte 2020 an: Braunschweig, das ist heute Kernthema: Minus 27,5 Millionen Euro.

Wie sieht es denn in der gleichgroßen Stadt Augsburg aus: +/- 0 Euro

Oder in unserer Nachbarstadt Hannover, der ja auch so mancher Verantwortliche in diesem Hause immer gerne voraus sein will: ebenfalls +/- 0 Euro

Und Städte wie Osnabrück, Magdeburg, Mönchengladbach, Gelsenkirchen schaffen sogar ein Plus von 2 bis 8 Millionen Euro. Sind das alles reiche Städte, die eine viel bessere Ausgangssituation haben als Braunschweig? Nein, meine sehr geehrte Damen und Herren. So erblicke ich die Situation für unsere Stadt nicht.

Und auch diese Städte werden mit den Aufgabenzuwächsen gleichermaßen konfrontiert wie Braunschweig. Es gibt keine Sonderrolle für Brauschweig.


Ich fasse zusammen:

1.    Die Stadt steht in einem hervorragenden Umfeld da

2.    Die Einnahmen steigen kontinuierlich. Braunschweig hat kein Einnahmenproblem und wir sollten uns keiner Schutzbehauptung bedienen.

3.    Dieser Haushalt wird für dieses und auch die kommenden Jahre mit einem kräftigen Minus von erst 27,5 Millionen Euro und anschließend 37,6 Millionen Euro, dann 23,9 Millionen Euro und später 14,4 Millionen Euro geplant.

Nun lassen Sie mich noch vier weitere Punkte an Sie, werte Haushaltsmehrheit, anschließen:

1.    Natürlich, wer ein Minus macht lebt auf Pump oder greift in seine Rücklagen. Schauen wir auf die Rücklagen. Wenn auch nur buchhalterisch und nicht als bares Geld, sollten wir uns erinnern: Eine Rücklage sollte genau für die Zeiten zum Gegenrechnen dienen, in denen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der rechnerische Ausgleich nur noch mit sonst harten Einschnitten gelingen würde. Wir vergreifen uns zu einer falschen Zeit an eben dieser Rücklage.

2.    Sie planen von 2019 an bis 2023 neue Kreditaufnahmen in Höhe von 308,5 Millionen Euro. Demgegenüber steht eine Rückzahlung von gerade einmal 47,6 Millionen Euro. In dieser Zeit wollen sie den Verschuldungsstand also versechsfachen. Schulden müssen unabhängig von ihren Zusatzkosten, den Zinsen, zurückbezahlt werden. Das, was nur den wenigsten Schulden-Politikern gelingt ist es, Schulden in ihrer Gesamtheit zurückzuzahlen. Diese Politiker unterliegen der süßen Heimtücke des fremden Geldes. Es wird sich gehangelt von erneuter Kreditaufnahme zu Kreditaufnahmen. Und das, um nicht nur neue Investitionen zu finanzieren, sondern um die alten Schulden wieder mit neuen zu tilgen. Eine gefährliche und unverantwortliche Spirale.

3.    Mehrere Planbudgets der Dezernate werden augenscheinlich zu hoch angesetzt. Nehmen wir den Bereich Sozialhilfe: um 11 Millionen Euro wurde zum Beispiel 2018 zu viel Budget angesetzt. Oder eine irritierende Minderausgabe in Höhe von 10 Millionen Euro für Mobiliar und Instandhaltung in Schulen. Wie kann es sein, wenn diese Summe eine vom Rat beschlossene Höhe ist? Dies sind nicht akzeptable Größenordnungen, die sich der Haushaltswahrheit und -klarheit entziehen. Wir brauchen eine Umkehr.

4.    Wenn auch nur zur Vorsorge, wird ein Liquiditätskredit in Höhe von 50 Millionen Euro eingerichtet. Früher nannte man dies Kassenkredite und sie galten als Schrecken der kommunalen Verschuldung. Ist das bereits ein Vorbote?

Als CDU ist unser Plan eindeutig:

Wir stehen vor Herausforderungen. Es geht um Investitionen in die Bildung von morgen, den Klimaschutz, neue Mobilitätskonzepte, die Arbeitswelt der Zukunft, Innovation durch Digitalisierung. Das sind die Herausforderungen der 20er Jahre. Dafür brauchen wir solide Finanzen. Daher kommen wir nicht umhin, uns klare zeitliche und finanzielle Ziele zu geben, wie viel Jahr für Jahr strukturell verbessert werden soll. Unser konkreter Vorschlag als Teil dieses Haushaltes in der mittelfristigen Planung lautet: 10 Millionen Euro in 2021 und anschließend jedes Jahr weitere 5 Millionen Euro Und wichtig dabei ist, dass dieser Konsolidierungsbeitrag nicht an anderer Stelle wieder ausgegeben wird. Damit kommen wir auf einen ausgewogenen Pfad in der mittelfristigen Planung zurück. Und diese Maßnahmen sind machbar. Wolfsburg kann hier als gutes Beispiel dienen. Dort hat der Oberbürgermeister eine Vorgabe gemacht, die in Begleitung mit der KGSt umgesetzt wird. Auch wir haben die KGSt beauftragt. Auch Sie, sehr geehrter Herr Markurth, haben in der VW-Halle die Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung um Unterstützung im KGSt-Prozess gebeten, die Sie auch erhalten. Warum fehlt es nun am Mut und Willen zur Umsetzung. Die KGSt-Ergebnisse wurden gestern vorgestellt. Jahr für Jahr schieben wir das Notwendige vor uns her. Und erreichen nur eins: Unsicherheit und eine Verschlechterung der Ausgangslage. Bekennen Sie sich zu einer konkreten Zielvorgabe, wo wir hinsteuern wollen. Und werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diese politisch abwägen und umsetzen.

Liebe Haushaltsmehrheit: Die Lage ist nicht verzweifelnd, nicht hoffnungslos, nur scheint es Ihnen an Ernsthaftigkeit, Entschlossenheit und Mut zu fehlen. Sie verpassen die Chance, in einem positiven Gesamtumfeld einen positiven Haushalt aufzustellen. Jahr für Jahr.